16.07.2023
Verteilung von Jodtabletten in den Kommunen
Sehr geehrter Herr Landrat,
die Situation im Kriegsgebiet der Ukraine rund um das Atomkraftwerk Saporischschja hat sich in den letzten Tagen dramatisch zugespitzt.
Das Kernkraftwerk mit seinen sechs Druckwasserreaktoren ist das leistungsstärkste Kernkraftwerk Europas. Es liegt im direkten Frontverlauf zwischen den beiden Kriegsparteien. Durch die Sprengung der Kachowka-Staumauer am 6. Juni 2023, der Teilweisen Zerstörung der Hochspannungsleitungen und weiterer Infrastruktur rund um das Kernkraftwerk dreht sich die Spirale der Gewalt immer schneller.
Nun beschuldigen sich beide Kriegsparteien gegenseitig daran zu arbeiten einen Anschlag auf das Kernkraftwerk vorzubereiten. Aufgrund dieser Nachrichten ist unsere Gruppe der Vereinigten Wählergemeinschaften besorgt und möchte gerne auf die „Verteilung von Jodtabletten in den Kommunen“ aus dem Jahr 2014 bis 2017 zu sprechen kommen. Damals waren die Unsicherheiten rund um das Atomkraftwerk Tihange in Belgien Grund dafür, das zahlreiche Kreise in NRW, auch der Kreis Kleve, Jodtabletten eingelagert haben.
Im Kreistags-Informationssystem des Kreises Kleve konnten wir dazu nichts recherchieren. Lediglich in der Niederschrift zur Sitzung des Kreistages Kleve am 14.12.2017 gibt es einen Hinweis unter dem Tagesordnungspunkt 25, unter Anfragen.
In den Kreistags-Informationssystem der Kreise Euskirchen, Düren, Heinsberg und der StädteRegion Aachen kann man dazu deutlich mehr Informationen, Verwaltungsvorlagen und Tagesordnungspunkte nachschlagen.
Zitat aus der öffentlichen Niederschrift über die Sitzung des Kreisausschusses des Kreises Heinsberg am 21.02.2017:
Sitzung: öffentlich
Tagesordnungspunkt 12:
Bericht der Verwaltung
Landrat Pusch teilt Folgendes mit:
„Katastrophenschutzplanung – Ausgabe von Jodtabletten an die Bevölkerung des Kreises Heinsberg“ Mehrfach, zuletzt in der Sitzung des Kreisausschusses am 13.12.2016, habe ich Sie über den entsprechenden Sachstand informiert. Hierauf wird Bezug genommen.
Zwischenzeitlich haben die Stadt und die Städteregion Aachen sowie die Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg am 24.01.2017 für die Region Aachen einen modifizierten Entwurf eines einheitlichen und abgestimmten Gesamt- und Maßnahmenkonzeptes in Bezug auf einen möglichen Nuklearunfall im belgischen Atomkraftwerk Tihange dem Ministerium für Inneres und Kommunales NRW (MIK NRW) in Düsseldorf vorgestellt.
Da das MIK den erarbeiteten Konzeptionen zur Vorverteilung von Jodtabletten und zur Verteilung im Ereignisfall sowie der Bevölkerungsinformation in der o. g. Besprechung zugestimmt hat, können nunmehr die weiteren organisatorischen Abstimmungen in der Region Aachen vorgenommen werden.
1) Vorverteilung der Jodtabletten Das Konzept der Vorverteilung der Jodtabletten sieht nach dem derzeitigen Stand einen öffentlichen Aufruf in den Medien, wie z.B. Tageszeitungen, Rundfunk, WDRFernsehen, Internetseite der jeweiligen Kommune, zur Information der Bevölkerung vor. In dieser Information wird mitgeteilt, dass eine Vorverteilung von Jodtabletten für den bezugsberechtigten Personenkreis vorgesehen ist. Dies sind Personen, die jünger als 46 Jahre sind oder Schwangere. Ein Bezugsschein zum Erhalt der Jodtabletten, die ausschließlich über die Apotheken bezogen werden können, ist in diesem Zusammenhang erforderlich.
Die Bevölkerung beantragt eigeninitiativ auf Grundlage des Aufrufs per Antragsformular schriftlich (postalisch) oder online den Bezugsschein, welcher gegen Vorlage in einer teilnehmenden Apotheke für den Bezug einer jeweils vorab überprüften Menge von Jodtabletten berechtigt.
In der Apotheke wird eine umfassende Beratung vorgenommen und weiteres Informationsmaterial ausgegeben. Die Vorverteilung der Jodtabletten an die Haushalte erfolgt in den teilnehmenden Apotheken für den Bürger kostenlos.
Die Vorverteilung der Jodtabletten wird nach bisherigen Erkenntnissen eine einmalige Aktion sein, die sich über einen Zeitraum von maximal 3 Monaten erstreckt. Bis spätestens Ende des Jahres soll die Verteilung erfolgt sein.
In diesem Zusammenhang ist aktuell erkennbar, dass sich der Preis für Jodtabletten über den direkten Bezug der Apotheken mittlerweile ca. vervierfacht hat. Es ist davon auszugehen, dass diese Preisentwicklung durch die aktuelle Angebots- und Nachfragesituation begründet ist.
Obwohl das Land NRW die Jodtabletten den Katastrophenschutzbehörden kostenlos zur Verfügung gestellt hat, entstehen sowohl in der Kreisverwaltung als auch in den kreisangehörigen Kommunen nicht unerhebliche Kosten (Bezugsberechtigung, Erstattung des Kostenaufwandes der Apotheken, Personalaufwand). Eine sorgfältige Schätzung der Kosten der Vorverteilung kann jedoch erst nach Abschluss der konkreten Planungen vorgenommen werden. Derzeit leben im Kreis Heinsberg ca. 120.000 bezugsberechtigte Personen. Nach Feststellung des MIK NRW ist davon auszugehen, dass ca. 15 % der Bezugsberechtigten, d. h. ca. 18.000 Personen im Kreis Heinsberg, von dem Angebot Gebrauch machen werden.
2) Verteilung der Jodtabletten im Ereignisfall Kern der Konzeption ist die vorgesehene dezentrale Lagerung in den kreisangehörigen Stadt- und Gemeindeverwaltungen und die Einrichtung von sogenannten Ausgabestellen, z. B. in Wahllokalen.
Die planerischen Annahmen für den Austritt von radioaktivem Material des Bundesamtes für Strahlenschutz gehen von einem Beginn der Freisetzung von radioaktivem Material 21 Stunden nach dem auslösenden Ereignis aus. Das von der Region erarbeitete Konzept im Ereignisfall geht vorsichtshalber von einer Freisetzung des radioaktiven Materials bereits 12 Stunden nach dem auslösenden Ereignis aus. In diesen 12 Stunden erfolgen der Transport und die Verteilung der Jodtabletten.
Bereits jetzt ist auch hier deutlich erkennbar, dass die dezentrale Lagerung und Ausgabeplanung in den Städten und Gemeinden für den Ereignisfall einen hohen Verwaltungsaufwand nach sich zieht. Aus diesem Grunde habe ich bereits die Bürgermeister der kreisangehörigen Städte und Gemeinden angeschrieben und um Unterstützung im Rahmen der Umsetzung der Konzeption – auch hinsichtlich der Vorverteilung - gebeten.
3) Informationsbroschüre Sobald die konkreten Ausarbeitungen der Verteilpläne der Jodtabletten vorliegen, werde ich die jeweiligen Vertreter der Städte und Gemeinden einladen und die in Rede stehenden Konzeptionen vorstellen. Die dann noch auf Kreisebene zu ergänzenden Planungen werde ich mit den kreisangehörigen Kommunen und unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten abstimmen. In diesem Zusammenhang ist ergänzend zu erwähnen, dass bzgl. der Information der Bevölkerung eine einheitliche Informationsbroschüre für die Region Aachen erstellt wird, die der entsprechenden Aufklärung der Bevölkerung vor Ort dient. Die Ausgabe der Informationsbroschüre erfolgt zeitgleich mit den anderen beteiligten Katastrophenschutzbehörden in der Region Aachen, voraussichtlich nach den Osterferien.
4) Feinstaubmasken für Kinder Neben der Schutzmaßnahme „Ausgabe von Jodtabletten“ an die betreffende Bevölkerung hat die Region Aachen, wie bereits in der vorherigen Kreisausschusssitzung berichtet, beim Land die Anschaffung von Feinstaubmasken für Kinder im Alter von sieben bis zwölf Jahren beantragt. Zwischenzeitlich hat das Land eine Kostenbeteiligung abgelehnt. Über das weitere Vorgehen in dieser Angelegenheit findet derzeit eine Abstimmung innerhalb der Region Aachen mit dem Ziel einer gemeinsamen Vorgehensweise statt.
Für den Kreis Heinsberg würden sich die Kosten für die Kinderfeinstaubmasken nach einer ersten groben Einschätzung auf ca. 35.000 € belaufen (ca. 2,50 € pro Stück für ca. 14.000 Kinder im Kreis Heinsberg). Feinstaubmasken für Erwachsene sind im Handel erhältlich.
Nach Fortschritt der weiteren Planungen werde ich Sie über den Sachstand zeitnahinformieren.“
Die Niederschrift listet zahlreiche Punkte auf, die im Katastrophenfall abgearbeitet werden. Aufgrund der sehr unsicheren Lage am Atomkraftwerk Saporischschja und den sehr Umfangreichen Informationen aus den Kreisen Euskirchen, Düren, Heinsberg und der StädteRegion Aachen zum Atomkraftwerk Tihange in Belgien möchten wir die Situation im Kreis Kleve bewerten.
Hierzu haben wir folgende Fragen:
1. Wer ist in der Kreisverwaltung für die Jodtabletten zuständig?
2. Wie ist der aktuelle Sachstand? Wurde der Sachstand seit 2017 fortgeschrieben?
3. Gibt es eine Infobroschüre wie im Kreis Heinsberg?
4. Wurden eingelagerte Feinstaubmasken für Kinder zwischendurch überprüft oder erneuert?
5. Unterliegen die eingelagerten Jodtabletten einem Ablaufdatum und wer überprüft dies in den einzelnen Kommunen?
6. Welche Kosten entstehen derzeit dem Kreis Kleve für die Lagerung der Jodtabletten?
Die Antwort zur Anfrage finden Sie im Anhang.
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